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münchenBouffons

LASST EUCH NICHT VERFÜHREN

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MENSCH-KUNST-LEBEN

10 JAHRE THEA

Donnerstag, Februar 08, 2007

DER LEBERBOUFFON - Texte von Karin Ostberg

Bouffons - beigetragen von Karin - Theateratelier und Kultur auf Rädern 2006
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hörst du den schrei der menschlichen revolte?
wer war dieser rebell, der das vorbild des heutigen menschen sein soll?
wer hat den menschen so geliebt, dass er uns zugleich feuer und freiheit,
technik und kunst geschenkt hat?
tragen wir ihn vielleicht in uns?
ist nur so eine befreiung und zwar gleichzeitig, von körper und seele möglich?
prometheus – der zuvorwissende, der göttersohn der sich den göttern
wiedersetzte. dafür wurde er an einen felsen im kaukasus geschmiedet,
wo jeden tag ein adler seine leber frass, die des nachts wieder nachwuchs.
leben ohne leber - das stoffwechselorgan schlechthin. wenn wir versuchen
die leber zu verstehen, werden wir dann das leben verstehen?
oder bleibt uns, frei nach albert camus, nur der „prometheus in der hölle“?

auf, auf fangt sie die bouffons ……… oder gibt es schon eine bouffonfamilie?
was ihr wollt: groteske – macht – phantasie – mysterium, es liegt an euch –
bewegt euch!

lasst euch nicht verführen …

der leberbouffon:
nix wisst`s vom leb`n – scho gor nix von der leber.
die is ja der wahre prometheus in eich.
die leber gibt eich erst des leben .
ihr glaubts des net? scho im embryo wird ab der 8. woch von der leber
des blut aufbaut – aufbaut – aufbaut.
do san de anderen, wia de lunga, de niern no gor net aktiv.
aufbaut wird – doch scho mit dem 1. atemzug nach der geburt, geht’s
obe, obaut, obaut werd dann.
so wia mas beim prometheus siegt, am tog frisst der adler de leber –
nachts wachsts dann wieder noch.
wichtig und gewicht ghören zsamm!!!!!
wia wichtig de leber is, zoagt se am gwicht.
beim säugling is des gwicht am grössten, 10 % vom körpergwicht,
beim erwachsnen 5 % und beim oiten menschen sans dann nur mehr 2%.
des muss sei, sunst kannt der mensch a net sterbn.

des hobns se de politiker net überlegt, dass ma durch den frust
von hartz 4, so a riesen leber kriagt.
vuil leber – vuil wachstum – wenn de leber net kloaner werd, ko ma
net sterbn – kannts sei, dass dann de rente no länger zoalt werdn muass?
schauts es nur oh, so groß wia a rinderleber werds dann scho (5-7kg).

aber wos so a leber a no ois macha ko?!

* liebevoll schmeckts übern speisebrei
* wia a inners aug nimmts ois wahr

hobts eich scho amoil gedanken gmacht, wia des für die leber is? wos
ihr ois so essts und trinkts?

„der hot a durstige leber“ sogt ma. des stimmt – die leber regelt unsern
durst. sie is wia a schwamm – do geht die gallle, die lymphe, des blut durch.

wia mit ihrem innern aug schaut die leber was gut is, aber wos ihr auch
schodt. net alles wos do reikummt passt für sie. und dann erst des gift:
* wia da alkohol
* zigarretten - des nikotin is des stärkste pflanzliche gift
* tabletten - für ois mögliche: vom blutdruck, übers cholesterin
beta blocker fürs herz.
und wenn dene leit der stress zu gross werd und sie nichts mehr auf
de reih bringa – muass ma psychopharmaka eischmeissen.

**denn nur durch arbeit is ma wer,
** nur so kriagt ma würde und ansehen
**do is ma wer!

moant ma – glaaubt ma – brandnei is de erfahrung, sowaos hots no nia net gebn!

doch schon der göttersohn prometheus hot des gwusst, nur wenn ma
kunst und technik gleichzeitig ins leben bringt, is ma auf dem weg zum menschen.

es geht scho no weiter mit der leber:
rhytmus und ordnung hot und braucht de leber.
von nachmittag um 3 bis in der frua um 3 baut die leber ihren lebensstoff auf –
das glykogen – und des is auf der ganzen welt des gleiche.
wir modernen und mobilen menschen tun grad so, als gäbe es den leber- rhytmus net:
* jetten um die welt ohne rücksicht auf verluste
* arbeiten wie die maschinen zu jeder zeit
* und dann stopf ma spätabends ganze menüs in uns nei und schwoabens mit
viu alkohol nunter, dabei hobn ma keine gallensäure zum verarbeiten.


verruckt kannt ma wern. doch des is scho der erik forsgren gworn, der
den leberrhytmus entdeckt hot, ihm hom seine kollegen net glaubt. noch
im irrenhaus hot er nur 1 satz gsagt: „und er stimmt doch!“

„ die leber ist von einem hecht
und nicht vom dromedare,
wenn einer 7 tage schafft,
liegt er bald auf der bahre“

so schön und soooo warm ist die leber.

unser wärmstes organ ist sie, mit 40 grad celisius.
des zeigt uns der prometheus, der uns menschen das feuer und die freiheit
gebracht hat:
* ohne wärme - kein wille
* ohne wille - keine tat

und wos siegt ma heit? immer mehr hanswursten – alles im kopf nix in
herz und hand, das feuer, die wärme fehlt.
und schmerzhaft weh tuats halt net die leber – doch irgendwann langts auch ihr.

dann läuft der leber die schwarze galle über,
* alles staut sich innerlich und äusserlich
* der mensch, als mensch und überhaupt nix mehr wert ist,
* nur mehr der takt von maschinen der richtige ist,
* technik , computer, wachstum, gewinnmaximierung, globalisierung,
wissenschaft, macht …
die schwarze galle überschwemmt alles:
depression sagt man heut dazu – eine volkskrankheit die immer mehr zunimmt.

und was is mit der kunst?
was is, wenn man seine eigenen schätze nimmer heben kann und darf?

da kann man ja nur aus der haut fahrn - allergie sagt man!

wie es weitergehen soll?

schickt doch des pack – die leit, de ois menschen blos störn - in die wüste, so sind sie weg von der bildfläche, denn was man nicht sieht, gibt’s nicht.

den depressiven hilft das sonnenlicht, den allergikern die pollenfreie luft und warm ist es allemal.

„die leber ist von einem hecht
und nicht von einem stier,
wenn einer nicht mehr werkln kann,
dann bleibt ihm nur hartz 4“

und wenn ihr sonst noch was wissen möchts:
fragts doch die münchenbouffons!

oder:

spuits weiter de beleidigte leberwurscht.




karin ostberg 2006


„die leber ist von einem hecht
und nicht von einem geier
wir danken cornelia, anton, andi und der gudrun heit
und freun uns auf die feier.“
eure münchen-bouffons

Montag, Juli 31, 2006

WAHRE NARRHEITEN - Besprechung in der SZ

¸¸Kultur auf Rädern" präsentiert eine Tafelrunde im Einstein
Im Französischen ist der ¸¸Bouffon" ein Narr mit einem Hang zum Mystischen. Die ¸¸Münchenbouffons" der Projekte ¸¸Theateratelier" und ¸¸Kultur auf Rädern" sind Schauspieler auf der Suche nach neuen Theaterformen. Aktualität und Poesie, Humor und Skurrilität wollen sie vermischen. ¸¸Es sind Menschen mit einer großen Lebenserfahrung", erklärt Anton Koelbl, der Leiter der Gruppen. Er meint damit: Menschen mit psychischen Problemen, Arbeitslose, Alte, aber auch professionelle Schauspieler, Musiker und Jugendliche.

Unter dem Titel ¸¸Lasst euch nicht verführen" gestalteten sie einen theatralen Abend, der in den Untergrund führte, in die Kellerräume des Kulturzentrums Einstein. Dort sammelt sich das Publikum zunächst im Flur. Es wird ein Prolog verlesen, ein Zeit-Artikel aus der Rubrik ¸¸Ich habe einen Traum". Darin spinnt der Arbeitsmarktreformer Peter Hartz die Idee einer Tafelrunde 30 kluger Köpfe aus allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen. Aus deren Phantasien und Wünschen soll im Nu ein Rezept zur großflächigen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit entstehen - eine Idee, der die Münchenbouffons mit Hohn begegnen. Sie nehmen den Artikel als Grundlage ihrer theatralen Tafelrunde.

Nach dem Prolog gehen die Zuschauer in einen Gewölbesaal. Es ist klamm dort, und es gibt keine Sitzplätze. Auf der Bühne harren groteske Figuren. Sie alle sind Bouffons, die eine immer gleiche Tätigkeit ausführen. Der Bibelbouffon zitiert aus dem Lukas-Evangelium. Der Mundtrompetenbouffon erzeugt Töne nur mit Mund und Hand als Hilfsmittel. Ein anderer wiederholt immerfort Verse von Hilde Domin: ¸¸Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise, wie einem Vogel, die Hand hinhalten." Dazwischen eskaliert das Bühnengeschehen: Musik und Gesprochenes werden immer lauter, bis zur Unerträglichkeit. Plötzlich werfen alle Spieler Teller auf den Bühnenboden. Und dann folgt Stille. Bis einer wieder seine Rolle aufnimmt. Diese Tafelrunde ist eine kluge, kraftvolle und anrührende Auseinandersetzung mit dem Themen Arbeit und menschliche Würde. ¸¸Wir sind kein therapeutisches Projekt, sondern ein künstlerisches", sagt Koelbl. Der Theaterabend gibt ihm recht.

MARION STIEGLITZ

Quelle: Süddeutsche ZeitungNr.173, Samstag, den 29. Juli 2006 , Seite 54